Ich lass mich nicht wegjodeln
Rede bei der Großdemonstration in Wien am 19.2.2000 gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ
Als Künstler-Vertreterin einer jüngeren Generation stehe ich jetzt hier oben und zwar als eine doppelt getroffene: es gibt kein Kunst- und kein Frauenministerium mehr. Beides in den 70er Jahren schwer erkämpfte Ministerien wurden in kürzester Zeit abgeschafft. Wohl ein Zeichen dafür, wie wenig der politischen Klasse diese beiden Bereich etwas bedeuten.
Kann ich als Komponistin auf meinem Terrain, mit Musik protestieren? Dennoch will ich dort, wo gehandelt wird, nicht schweigen.
In einer Zeit, die Kunst und Künstler verleugnet, sie als nutzlos, als Kuriosität wahrnimmt, macht der Künstler das, was er muß, und spricht so von dem, was nichts nützt. Dies ist die einzige Art und Weise von Reaktion, die dem Künstler in Momenten der Krise, des Chaos, der Verletzung von Menschenrechten, Intoleranz und Zeiten der Unsicherheiten bleibt. Also: sein Konstruktives, seine Art in den Mitteln des Mitreißens, der Spannung, der bewußten Anwendung von Prinzipien des Ausdrucks und des Baus sowie die Bewußtmachung des schöpferischen Akts, ist des Künstlers einzige Möglichkeit des Reagierens. Obwohl uns Komponisten das Wort fehlt - um mit Schönbergs Opernfigur Moses zu sprechen: "Oh Wort, du Wort, das mir fehlt" - können wir mit rein musikalischen Mitteln vielleicht auch Protest demonstrieren. So war für mich das Konzertprogramm mit Bergs "Drei Orchesterstücken" und Mahlers "6.Symphonie" im Konzerthaus Wien am 4.2., dem Tag der Regierungsangelobung, ein solches - ein denkwürdiges Konzert. Es erinnerte daran, daß vor 60 Jahren die Musik der österreichischen Komponisten Berg und Mahler noch als "entartete Kunst" galt. Das österreichische Problem ist nicht Schuld, sondern der Glaube, sich um das Eingeständnis der Schuld und des Schuldig-Geworden-Seins herumdrücken zu können. Der Glaube, daß es da eine Hintertür gibt, war immer da, und jetzt will er wieder herrschen.
Für mich als Komponistin kann der Sinn von Musik nicht darin liegen, Menschen mit Verheißungen einer alle Grenzen überbrücknden Gemeinsamkeit einzulullen und gefügig zu machen. Ich kann die Wirklichkeit nicht besser machen als sie ist. Ich möchte bewußt denkende Menschen, Selberdenker, als Zuhörer haben, die in der Musik und in der Kunst überhaupt die Widerspiegelung des suchenden Menschen sehen, der entschlossen ist, das Gewohnte zu begreifen, das Herrschende zu überwinden und ins Unbekannte vorzustoßen - der daher seiner Umgebung gegenüber offener und toleranter ist.
Ich möchte niemanden eine Belehrung vorsetzen, nur Gedanken an das Schmerzliche und Zarte, das um die Welt liegt, das öffentlich Zweideutige und menschlich Vergebliche, das sie umgibt, durch Musik vermitteln. Ich weiß, daß man mit Kunst nichts ändern kann, aber Kunst kann Erstarrtes aufzeigen und den desolaten Zustand von Gesellschaft und Politik sichtbar machen.
Ich WILL mich NICHT wegjodeln lassen, auch wenn auf der Gerlitzen keine"Weltkatzen-Musik" (Zitat) erwünscht ist!
Was ich von der "entarten Kunst" lernen konnte, ist wachsam bleiben und nochmals wachsam bleiben. Daher möchte ich nun mit einem Ausschnitt aus einem Lied von Hanns Eisler, der auch als "entarteter Künstler" galt, enden: "Vorwärts und nicht vergessen, die Solidarität!"
(Rede gehalten am 19.2.2000 vor der Staatsoper Wien)
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Rede bei der Großdemonstration in Wien am 19.2.2000 gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ
Als Künstler-Vertreterin einer jüngeren Generation stehe ich jetzt hier oben und zwar als eine doppelt getroffene: es gibt kein Kunst- und kein Frauenministerium mehr. Beides in den 70er Jahren schwer erkämpfte Ministerien wurden in kürzester Zeit abgeschafft. Wohl ein Zeichen dafür, wie wenig der politischen Klasse diese beiden Bereich etwas bedeuten.
Kann ich als Komponistin auf meinem Terrain, mit Musik protestieren? Dennoch will ich dort, wo gehandelt wird, nicht schweigen.
In einer Zeit, die Kunst und Künstler verleugnet, sie als nutzlos, als Kuriosität wahrnimmt, macht der Künstler das, was er muß, und spricht so von dem, was nichts nützt. Dies ist die einzige Art und Weise von Reaktion, die dem Künstler in Momenten der Krise, des Chaos, der Verletzung von Menschenrechten, Intoleranz und Zeiten der Unsicherheiten bleibt. Also: sein Konstruktives, seine Art in den Mitteln des Mitreißens, der Spannung, der bewußten Anwendung von Prinzipien des Ausdrucks und des Baus sowie die Bewußtmachung des schöpferischen Akts, ist des Künstlers einzige Möglichkeit des Reagierens. Obwohl uns Komponisten das Wort fehlt - um mit Schönbergs Opernfigur Moses zu sprechen: "Oh Wort, du Wort, das mir fehlt" - können wir mit rein musikalischen Mitteln vielleicht auch Protest demonstrieren. So war für mich das Konzertprogramm mit Bergs "Drei Orchesterstücken" und Mahlers "6.Symphonie" im Konzerthaus Wien am 4.2., dem Tag der Regierungsangelobung, ein solches - ein denkwürdiges Konzert. Es erinnerte daran, daß vor 60 Jahren die Musik der österreichischen Komponisten Berg und Mahler noch als "entartete Kunst" galt. Das österreichische Problem ist nicht Schuld, sondern der Glaube, sich um das Eingeständnis der Schuld und des Schuldig-Geworden-Seins herumdrücken zu können. Der Glaube, daß es da eine Hintertür gibt, war immer da, und jetzt will er wieder herrschen.
Für mich als Komponistin kann der Sinn von Musik nicht darin liegen, Menschen mit Verheißungen einer alle Grenzen überbrücknden Gemeinsamkeit einzulullen und gefügig zu machen. Ich kann die Wirklichkeit nicht besser machen als sie ist. Ich möchte bewußt denkende Menschen, Selberdenker, als Zuhörer haben, die in der Musik und in der Kunst überhaupt die Widerspiegelung des suchenden Menschen sehen, der entschlossen ist, das Gewohnte zu begreifen, das Herrschende zu überwinden und ins Unbekannte vorzustoßen - der daher seiner Umgebung gegenüber offener und toleranter ist.
Ich möchte niemanden eine Belehrung vorsetzen, nur Gedanken an das Schmerzliche und Zarte, das um die Welt liegt, das öffentlich Zweideutige und menschlich Vergebliche, das sie umgibt, durch Musik vermitteln. Ich weiß, daß man mit Kunst nichts ändern kann, aber Kunst kann Erstarrtes aufzeigen und den desolaten Zustand von Gesellschaft und Politik sichtbar machen.
Ich WILL mich NICHT wegjodeln lassen, auch wenn auf der Gerlitzen keine"Weltkatzen-Musik" (Zitat) erwünscht ist!
Was ich von der "entarten Kunst" lernen konnte, ist wachsam bleiben und nochmals wachsam bleiben. Daher möchte ich nun mit einem Ausschnitt aus einem Lied von Hanns Eisler, der auch als "entarteter Künstler" galt, enden: "Vorwärts und nicht vergessen, die Solidarität!"
(Rede gehalten am 19.2.2000 vor der Staatsoper Wien)
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