Olga Neuwirth: Kaktus zupfen und Frösche treten (1996)
Es war einmal ein Frosch, der hatte in Berlin das Pech, nicht geküsst, sondern getreten zu werden. Prinz wurde er dabei natürlich auch keiner. Und das kam so: Olga Neuwirth ist 1996 DAAD-Stipendiatin. Irgendwann tritt man an Olga Neuwirth und Christian Scheib mit der Bitte heran, ein öffentliches Gespräch oder Interview zu führen. Gern, sagen wir dem DAAD, aber zueinander sagen wir, nein, ein Gespräch, das ist uns zu bieder. Und das passt nicht zu Olga Neuwirth und ihrer auch performativen und interdisziplinären Seite.
Olga holt daraufhin zwei eigene kleine Performance-Stücke, aufführbar zu zweit, aus ihrem Fundus und Scheib entsinnt sich eines Videos, auf dem John Cage hingebungsvoll einem Kaktus mit einer Feder die Stacheln streichelt. Zwecks Klangerzeugung natürlich. Das wäre doch eine feine, nicht unironische, ja sogar von Selbstironie angehauchte Szene, denken wir: Olga Neuwirth will lebender Kaktus sein, dessen Stacheln Scheib Klang entlockt. Ein Bild, das mehr erzählt, als tausend brave Interviewworte, denken wir. So weit, so gut, aber damit ging so richtig die Arbeit los. Um Olga Neuwirth in einen Kaktus zu verwandeln, läßt sie sich ein giftgrünes Kostüm schneidern. Aufwändig bittet sie den Dorfschneider ihrer Kindheit ein Ganzkörperkostüm herzustellen, in das sie schlüpfen kann. Und als Krönung lässt sie sich vom Schmied des Dorfes tatsächlich eine Stachelkrone aus Metall schmieden und auf ihren Kopf anpassen. Deren abstehende Stacheln soll Scheib dann klangbearbeiten, während Olga ruhig da sitzt und sich „bearbeiten“ läßt.
Während der Schmied und der Schneider im Süden Österreichs die Objekte herzustellen beginnen, machen sich Olga Neuwirth und Christian Scheib in Berlin auf den Weg, um in diversen Geschäften all jene Utensilien zu kaufen, die man zur Aufführung der beiden Performance-Kompositionen von Olga braucht. Und da kommt der Frosch ins Spiel. Beziehungsweise viele Frösche. Und zwar Frösche in allen möglichen Größen und Formen, Materialien und Bauweisen, alles, was man in einem gut sortierten Geschäft für Kinderspielzeug an Fröschen finden kann, von quiekenden, weichen Plastiktieren über aufziehbaren Eisenfrösche zu froschförmigen Kasperfiguren.
Diese beiden kleinen Stücke von Olga Neuwirth, die wir an besagtem Abend zu zweit aufzuführen trachten, sehen noch viele weitere kleine Geräuschemacher und Spielzeuginstrumente vor, die zu besorgen sind, und wir müssen ein etwas seltsames Bild abgegeben haben, vielleicht wie ein etwas übergeschnapptes Elternpaar, das leicht ausgefallene Vorlieben der Kinder zufriedenzustellen hat. Wir aber beginnen zu üben. Mit einem Klavier, mit unseren Stimmen und all den Utensilien. Und an einer melodramatischen Stelle eines der beiden Stücke sieht die Partitur vor, dass einer der quiekenden Plastikfrösche lautstark getreten wird. Inzwischen wird für das andere Stück auch noch ein Videotape angefertigt, auf der eine Passage aus besagtem Kaktusstück von und mit John Cage geloopt zu sehen ist. Die stille Sanftheit des Performers Cage sollte hinter uns zu sehen sein, während der heftig klangverstärkte, und in alle vier Seiten des Raums projizierte, Stachelhelm auf Olgas Kopf von Scheib in der Aufführung mit einer übergroßen Feile malträtiert wird. Eine ganz und gar nicht sanfte Klangangelegenheit.
Alles ist vorbereitet und geprobt, Neuwirth und Scheib freuen sich auf die gemeinsame Performance, der Abend kann kommen. Gekommen sind dann allerdings vorher noch heftige Protestanrufe und die Polizei. Der in der Zeitung unter dem Titel "Kaktus zupfen und Frösche treten" angekündigte Olga Neuwirth Portrait-Abend hatte besorgte Tierschützer auf den Plan gerufen, die sich gar nicht abwehren haben lassen wollen. Aber Ende gut Alles gut, der Abend findet 1996 in der geplanten Form in der DAAD-Galerie statt. Nur der arme Frosch bleibt tatsächlich ein getretener, quiekender Frosch und ist bis heute nicht zum Prinz geworden.
Christian Scheib, Dezember 2013
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Es war einmal ein Frosch, der hatte in Berlin das Pech, nicht geküsst, sondern getreten zu werden. Prinz wurde er dabei natürlich auch keiner. Und das kam so: Olga Neuwirth ist 1996 DAAD-Stipendiatin. Irgendwann tritt man an Olga Neuwirth und Christian Scheib mit der Bitte heran, ein öffentliches Gespräch oder Interview zu führen. Gern, sagen wir dem DAAD, aber zueinander sagen wir, nein, ein Gespräch, das ist uns zu bieder. Und das passt nicht zu Olga Neuwirth und ihrer auch performativen und interdisziplinären Seite.
Olga holt daraufhin zwei eigene kleine Performance-Stücke, aufführbar zu zweit, aus ihrem Fundus und Scheib entsinnt sich eines Videos, auf dem John Cage hingebungsvoll einem Kaktus mit einer Feder die Stacheln streichelt. Zwecks Klangerzeugung natürlich. Das wäre doch eine feine, nicht unironische, ja sogar von Selbstironie angehauchte Szene, denken wir: Olga Neuwirth will lebender Kaktus sein, dessen Stacheln Scheib Klang entlockt. Ein Bild, das mehr erzählt, als tausend brave Interviewworte, denken wir. So weit, so gut, aber damit ging so richtig die Arbeit los. Um Olga Neuwirth in einen Kaktus zu verwandeln, läßt sie sich ein giftgrünes Kostüm schneidern. Aufwändig bittet sie den Dorfschneider ihrer Kindheit ein Ganzkörperkostüm herzustellen, in das sie schlüpfen kann. Und als Krönung lässt sie sich vom Schmied des Dorfes tatsächlich eine Stachelkrone aus Metall schmieden und auf ihren Kopf anpassen. Deren abstehende Stacheln soll Scheib dann klangbearbeiten, während Olga ruhig da sitzt und sich „bearbeiten“ läßt.
Während der Schmied und der Schneider im Süden Österreichs die Objekte herzustellen beginnen, machen sich Olga Neuwirth und Christian Scheib in Berlin auf den Weg, um in diversen Geschäften all jene Utensilien zu kaufen, die man zur Aufführung der beiden Performance-Kompositionen von Olga braucht. Und da kommt der Frosch ins Spiel. Beziehungsweise viele Frösche. Und zwar Frösche in allen möglichen Größen und Formen, Materialien und Bauweisen, alles, was man in einem gut sortierten Geschäft für Kinderspielzeug an Fröschen finden kann, von quiekenden, weichen Plastiktieren über aufziehbaren Eisenfrösche zu froschförmigen Kasperfiguren.
Diese beiden kleinen Stücke von Olga Neuwirth, die wir an besagtem Abend zu zweit aufzuführen trachten, sehen noch viele weitere kleine Geräuschemacher und Spielzeuginstrumente vor, die zu besorgen sind, und wir müssen ein etwas seltsames Bild abgegeben haben, vielleicht wie ein etwas übergeschnapptes Elternpaar, das leicht ausgefallene Vorlieben der Kinder zufriedenzustellen hat. Wir aber beginnen zu üben. Mit einem Klavier, mit unseren Stimmen und all den Utensilien. Und an einer melodramatischen Stelle eines der beiden Stücke sieht die Partitur vor, dass einer der quiekenden Plastikfrösche lautstark getreten wird. Inzwischen wird für das andere Stück auch noch ein Videotape angefertigt, auf der eine Passage aus besagtem Kaktusstück von und mit John Cage geloopt zu sehen ist. Die stille Sanftheit des Performers Cage sollte hinter uns zu sehen sein, während der heftig klangverstärkte, und in alle vier Seiten des Raums projizierte, Stachelhelm auf Olgas Kopf von Scheib in der Aufführung mit einer übergroßen Feile malträtiert wird. Eine ganz und gar nicht sanfte Klangangelegenheit.
Alles ist vorbereitet und geprobt, Neuwirth und Scheib freuen sich auf die gemeinsame Performance, der Abend kann kommen. Gekommen sind dann allerdings vorher noch heftige Protestanrufe und die Polizei. Der in der Zeitung unter dem Titel "Kaktus zupfen und Frösche treten" angekündigte Olga Neuwirth Portrait-Abend hatte besorgte Tierschützer auf den Plan gerufen, die sich gar nicht abwehren haben lassen wollen. Aber Ende gut Alles gut, der Abend findet 1996 in der geplanten Form in der DAAD-Galerie statt. Nur der arme Frosch bleibt tatsächlich ein getretener, quiekender Frosch und ist bis heute nicht zum Prinz geworden.
Christian Scheib, Dezember 2013
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